Nach einem Abstecher in die Tempel- und Bergwelt von Nikko führte uns die Weiterreise in die Region um den Mount Fuji, den höchsten und heiligsten Berg Japans. Eigentlich handelt es sich um einen Vulkan, der allerding seit über 300 Jahren vor sich hin schlummert und heute als beliebtes Ziel bei japanischen Pilgerern und Touristen gilt. Dank seines nahezu symmetrischen Kegels gilt er als besonders schön und wurde immer wieder in der japanischen Kunst aufgegriffen, sowohl in der Malerei als auch in der Literatur, sodass er sogar in die Liste des UNESCO-Welterbes als Weltkulturerbe aufgenommen wurde.

Lake Kawaguchiko mit dem Fuji-san
Im Vergleich zu anderen Dreitausendern gilt der Fuji-san, wie er im Japanischen genannt wird, als relativ einfach zu besteigen. Mit einer vernünftigen Outdoor-Ausrüstung und ein wenig Kondition schaffen sogar Kinder und Rentner, wie wir feststellen konnten, den Aufstieg.
Die Anreise
Als grösste Herausforderung erwies sich für uns allerdings die Anreise. Die ausführende Reiseplanerin hatte zwar alles minutiös herausgesucht, dummerweise jedoch den falschen Zielbahnhof gewählt. Zum Glück stand bei unserer Ankunft ein Bus bereit, der uns zum richtigen Bahnhof bringen würde, von wo aus wir Anschluss an unser Ziel hätten. So einfach wars leider nicht und so standen wir an einem weiteren Bahnhof ohne Ahnung, wie es weiter gehen sollte. Die Tatsache, dass in der Region um den Mt. Fuji jede Haltestelle, jeder Bahnhof und jede Strasse "Fuji..." heisst, trug auch nicht gerade zu einer besseren Orientierung bei.
Zum Glück fiel einer jungen Japanerin unsere Ratlosigkeit auf. Denn Westler, die frenetisch in einem Reiseführer blättern, während sie unter dem Gewicht ihrer Rucksäcke beinahe zusammenbrechen, bleiben meist nicht lange unbemerkt. Die junge Dame bot uns an, herauszufinden, wo unser Bus oder Zug fahren könnte. Nach kurzer Rücksprache mit der Zeitungsdame und der Frau vom Ticketoffice war klar, dass von hier gar nichts fahren würde, das uns hätte weiterbringen können. Sie bot uns daher an, uns mit dem Auto an einen weiteren Bahnhof zu bringen (an jenen nämlich, an den wir von Anfang an hätten fahren sollen). Kurz darauf fuhr ihre Kollegin, mit der sie zum Lunch verabredet war, mit dem Auto vor und schon waren wir unterwegs. Es dauerte nicht lange, da wurden wir gefragt, ob sie uns gleich an unseren Bestimmungsort bringen sollten. Die beiden hätten ohnehin den Nachmittag frei und ein kleiner Ausflug würde ihnen überhaupt nichts ausmachen. Und so befanden wir uns schon auf einem Road-Trip mit zwei netten Japanerinnen, die einfach so zwei wildfremden Backpackern ihre Hilfe angeboten hatten.
Unterwegs machten wir Halt bei einer Raststätte, die eigentlich ein Bauernhof war (ob echt oder nur nachgestellt, das haben wir nicht herausgefunden), und luden die Mädels zu einer Nudelsuppe ein. Am späteren Nachmittag und einer ausgiebigen Foto-Session vor unserer Unterkunft hatten wir unser vorläufiges Ziel erreicht. Die letzten Stunden vor Sonnenuntergang nutzten wir, um ein paar Bilder von jenem Berg zu schiessen, den wir am nächsten Tag erklimmen sollten.

Die Roadgirls beim Lunch

Beim Hotel angekommen
Der Aufstieg
Verschiedene Wege führen zum Gipfel auf 3776 Meter Höhe hinauf und wir hatten uns für die beliebte Yoshida-Route entschieden. Bestiegen werden kann der Fuji-san lediglich im Juli und August, in den übrigen Monaten ist seine Kuppe von Schnee bedeckt und auch das Wetter auf dem Gipfel ist nicht besonders einladend. Die kurze Saison bringt daher mit sich, dass relativ viele Leute in kurzer Zeit den Berg erstürmen. Man spricht von bis zu 3000 Touristen täglich, davon 99 Prozent (so kam es uns vor) einheimische. Die Routen zum Gipfel sind eigentlich Pilgerwege, die in verschiedene Stationen unterteilt sind. Besucher, die lediglich den Berg besteigen möchten, machen dies üblicherweise von der 5. Station aus, der letzten, die von Bussen angefahren werden kann. Sie bildet quasi das Basecamp für die Horden von Bergsteigern und Abenteuerlustigen. Hier kann man noch einmal sein Equipment aufrüsten, bevor der Spass beginnt.
Als wir uns so umsahen, wurde uns klar, dass Japaner die Besteigung des heiligen Fuji sehr ernst nehmen. Viele machten den Eindruck, als würden sie an einer Polarexpedition teilnehmen, andere waren in Anzüge gehüllt, als wären sie an den Aufräumarbeiten in Fukushima beteiligt. Da kamen wir uns gleich ein wenig underdressed vor mit unserer 08/15-Outdoor-Bekleidung ...

Nebliger Start
Um elf gings los und gemeinsam mit hunderten weiteren Wanderern\Extremsportlern\Atomwissenschaftlern machten wir uns auf den steilen Weg zum Gipfel. Der Aufstieg war anstrengend, aber dank unseres intensiven Vortrainings (Uetliberg und grosser Mythen) und meiner mittlerweile bewährten Wanderstöcke war das ganze weniger schlimm als anfangs befürchtet. Die Wege waren meist mit Schotter und Lavasteinen bedeckt, wodurch man so manches Mal ins Stolpern und Rutschen geriet. Dazwischen führte die Route aber über steile, felsige Abschnitte, auf denen hohe Konzentration gefragt war. Die Umgebung glich einer Mondlandschaft - ab der sechsten Station nahm die Vegetation rasch ab und um uns herum war alles nur noch grau in grau.

Im Nebelmeer

Nach der 7th station wirds unwegsam...
Nach fünf schweisstreibenden Stunden kamen wir schliesslich bei der 8. Station an, wo wir den Abend verbrachten, bevor es in der Nacht weitergehen sollte auf den Gipfel, den man idealerweise kurz vor Sonnenaufgang erreicht.
Da wir früh losmarschiert waren, kamen wir bereits um vier Uhr bei der 8. Station an, worauf uns sogleich das Abendessen aufgetischt wurde. Denn wer früh aufbrechen will, muss früh ins Bett! Dass wir im Gegensatz zu den meisten Asiaten uns nicht einfach hinlegen und in Tiefschlaf fallen können, spielte dabei keine Rolle. So lagen wir die nächsten Stunden mit Dutzenden weiteren Bergsteigern eingepfercht in einem muffligen, unbequemen Massenschlag und warteten, bis wir um drei Uhr morgens weiterlaufen konnten.

Vor dem Fujisan-Hotel, 8th station, 3400 m.ü.M.
Die letzte Etappe bis zum Gipfel glich einer eigentlichen Prozession - im Dunkeln konnte man lediglich die langen Lichterketten erkennen, die durch die vielen Stirnlampen gebildet wurden und sich den Berg hinaufschlängelten. Da auf dieser Höhe die verschiedenen Routen zusammentreffen, war das Gedränge auf dem Weg entsprechend gross, sodass es zu regelrechten Staus kam. Mit viel Geduld und ein wenig Ellenbogeneinsatz erreichten wir genau zum Sonnenaufgang, der sich wegen der dichten Wolken ein wenig verzögerte, den Gipfel und konnten uns mit vielen weiteren erschöpften Wanderern der wunderschönen Aussicht erfreuen.

Zwei Löwen bewachen den Torii, durch den man gehen muss. Das Ziel ist erreicht! Der Fuji-san mit 3776 m.ü.M. ist erklommen! Zeit: ca. 04.40 Uhr.

Man beachte die Handschuhe (fast schon japanisch...)

Es gibt tausende von Sonnenaufgängen auf dem Mount Fuji!

Blick auf den Yamanaka-ko-See

Beim Kraterrand
Wir trotzten der eisigen Kälte und dem beissenden Wind jedoch nur kurz, bevor wir uns nach einem heissen Kaffee und einer Miso-Suppo wieder auf den Weg hinunter machten. Der Abstieg war im grossen und ganzen eine einzige Rutschpartie, der lose Schotter brachte so manchen zu Fall.
Nach zackigen 3 Stunden erreichten wir schliesslich wieder unseren Ausgangspunkt und wir verstanden nun, weshalb wir am Vortag so viele Rückkehrer gesehen hatten, die zwar zu Tode erschöpft aussahen, dafür aber ein zufriedenes Lächeln im Gesicht trugen. Auch wir waren nun stolz auf uns, hatten wir den verehrten und gefürchteten Fuji-san, den Piz Palü Japans, bezwungen!
(dramatische Musik und Abspann)